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Literatur als Gegengericht
In: Frankfurter Hefte: Zeitschrift für Kultur und Politik, Band 34, Heft 7, S. 54-62
ISSN: 0015-9999
Prozeß- und Dokumentarliteratur hat sich auf verschiedene Weise mit dem Verhältnis von Verbrecher, Justiz und Gesellschaft beschäftigt. Die Spanne reicht von der "Antigone" über "Die Räuber" bis zu modernen Werken und Berichten. Zu fragen ist, von welchen Fällen berichtet wird, gegen wen sich das Gegengericht wendet, wie der Autor vorgeht. Die Autoren wenden sich zumeist an die Öffentlichkeit mit dem Appell, gerecht Recht zu sprechen, mit Rücksicht auf die Genese des Verbrechens. Ihre Kritik richtet sich gegen die Gesellschaft und ihre Justiz. Folgende Hauptformen sind feststellbar: Konkrete Fehler in der Anwendung der Gesetze aufgrund menschlicher Irrtümer; ungerechte Anwendung vom Gesetzen in Verfolgung bestimmter Interessen; Gegengericht in der Literatur richtet sich gegen geltendes Recht als Ausdruck des Selbstverständnisses des jeweiligen Staates; Parteinahme für Verbrecher; diese Texte greifen die Rechtssphäre als Ausdruck der bestehenden Gesellschaft substantiell an, und zwar insofern, als sie bescheinigen, daß die Erfüllung der Gesetze nicht allen Gesellschaftsmitgliedern möglich ist. Die meisten Werke kennzeichnet die Ambivalenz der Sympathie mit den Asozialen bei gleichzeitiger Anerkennung der Grundnormen der Gesellschaft. Die Aufdeckung der Gründe für abweichendes Verhalten ist zugleich Grund für die Solidarität mit den Ausgestoßenen. Die dokumentarischen Texte lassen zumeist eine Diagnose der Situation, in der sich der Strafgefangene befindet, vermissen. Aber sie sind in Bedeutung und Funktion mit der Literatur des Werkkreises der Arbeitswelt vergleichbar: sie erschließen der Öffentlichkeit neue soziale Bereiche, in der sie eigenes Fehlverhalten erkennen soll. (BG)